Ein Nähkästchen plaudert

Kommt mal mit – in mein Nähzimmer … ich zeig Euch was!

 

 

Auf dem Flohmarkt in Lindau habe ich vor ca. zwei Jahren ein altes Nähkästchen aus Holz wohlfeil erstanden und mit nach Hause genommen. Das ist es:

 

 

Ziemlich ramponiert sieht es ja schon aus! Aber ich schwelgte beim Nachhausegehen in Gedanken, wie schön ich es herrichten würde! Abschleifen, Ausbessern, schöner Lack …  Aber wie es so ist, landete es samt Inhalt erst einmal sehr dekorativ im Gästezimmer …

 

 

Catherines Me-Made-Mittwoch ist schuld daran, dass ich es mir nun endlich vorgenommen habe. Ich hatte nämlich vor, beim Event teilzunehmen, denn es wurde nach den Stoffvorräten gefragt, die man zu diesem Behuf ablichten solle … (Ihr seht, ich schwelge in sehr alten Dingen, entsprechend passt sich wohl auch meine Wortwahl an 😉

Ich ging also in mein Nähzimmer um meine, im Vergleich zu anderen Damen sehr bescheidenen,  Stoffvorräte zu fotografieren. Aber da schämte ich mich doch ob meiner großen Unordnung, die mir aus dem Schrank entgegenquoll! So begann ich die Stoffe herauszunehmen, zu  falten, neu zu ordnen, liebevoll hineinzulegen  und auch sehr großzügig auszumisten. Tja … den Me-Made-Mittwoch hatte ich dann vor lauter Aufräumen verpasst – aber das Aufräumen ging weiter und machte auch vor dem alten Nähkästchen nicht Halt. Ich breitete also den Inhalt im sauber gesaugten Nähzimmer auf dem Boden aus (Foto oben)

 

 

Was da für Schätze zutage kamen! Knöpfe aller Art – zum Glück viel Perlmutt dabei. Aber auch ein gerüttelt Maß an praktischen, weißen Wäscheknöpfen – weiters dieses Nadelkissen.  Es war sicher ein Weihnachts- oder Muttertagsgeschenk. Ich hab so was auch von meinem Sohn und halte es, wie wahrscheinlich alle Mütter, in Ehren.

 

 

Oben seht Ihr noch eine Verpackung mit DM-Preis! So was hab ich noch nie gesehen: die praktischen Hosentaschen zum Aufbügeln!

 

 

Ich fing dann an, die Sachen in Häufchen aufzuteilen: Knöpfe, Gummis (morsch oder noch gut??), Müll da unbrauchbar da zu alt oder zu gebraucht. Den Maßbändeln sieht man an, dass sie jahrzehntelang gute Dienste geleistet haben! Gestopft wurde damals sehr viel! Bergeweise Stopfgarn! Macht Ihr das noch? Ich gebe zu, dass die gestrickten Socken, wenn sie mal an der Ferse durch sind, bei mir in den Müll wandern – bevor sie ihren Einsatz beim Schuhe putzen  oder als Lumpen für die Möbelpolitur verrichtet haben.

 

 

Die beiden linken Stopfeier waren mir zu schade zum Wegwerfen. Sie stehen nun neben dem Stopfei meiner verstorbenen Tante im Regal. Die Gebrauchsspuren erzählen von langen Abenden der Arbeit.

 

Dieser Fund ist der bemerkenswerteste aus dem Kästchen. Den hab ich mir für den Schluß aufgehoben!

Gut anderthalb Meter sehr wertiges Band. Aufschrift: Eduard Riedl, Lindau Civil & Uniformier Anstalt.

Jahrhundertwende? Davor?

Wer muss da herhalten? Klar Google …  aber manchmal weiß das Internet einfach gar  nichts!

Zum Glück haben wir in Lindau den weltbesten Stadtarchivar! Der hat mir weitergeholfen und in analogen Findmitteln wie Karteien, maschinen- und handschriftlichen Listen … herausgefunden, dass ein gewisser Ludwig Riedl im August 1861 in der Maximilianstraße ein „auf’s Beste  … eingerichtetes Kleider-Magazin“ eröffnet hat. Er empfiehlt es „einem hohen Adel und [dem] geehrten Publikum mit der Versicherung …, daß ich stehts bemüht seyn werde, durch moderne Arbeit, prompte und reelle Bedienung meinen geehrten Kunden stets die größte Aufmerksamkeit zu widmen“ (s. Annonce im „Lindauer Tagblatt, 24.08.1861).

Das Geschäft ging in den 1890er Jahren an seinen Sohn Eduard Riedl, ebenfalls Schneidermeister, über.

Das Geschäft scheint sehr bekannt gewesen zu sein – so bekannt, dass es viel Werbung nicht nötig hatte.

 

 

Was ich mit diesem Band anstellen werde? Keine Ahnung! Aber aufheben auf jeden Fall!

 

 

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Ich freu mich an meinen Schätzen – am aufgeräumten Schrank und an neuen Nähprojekten, denn Stoffe falten und streicheln hat schon immer neue Ideen hervorgebracht…

 

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