Der Urquell des Lebens

Ein Gelehrter saß auf der Ebene der Krüge und las im Buch der Wandlungen. Er wünschte zu wissen, woher die Lebenskraft kam. Daher schloss er sein Buch und tat ein Gelübde: Ich werde weiter und immer weiter wandern, ohne Rast, bis ich den Urquell des Chi gefunden habe.

Er spazierte durch die Stadt. Er ging über Land. Er durchwanderte das Königreich. Doch er konnte ihn nicht finden. Da beschloss er, um die Erde zu fahren. Er bestieg ein Schiff und segelte in weite Ferne. Er sah viel Seltsames.

Im Ozean erblickte er einen großen Fisch. Der große Fisch wanderte auch in weite Ferne. Die Quelle des Chi konnte er nicht entdecken. Der Gelehrte gab nicht auf. Er reiste weit fort auf die andere Seite der Erde. Er fuhr zu den vier Enden der Welt und an die vier Ecken der Loban.

Oft kreuzten sich seine Wege mit denen des großen Fisches, der gleichfalls etwas zu suchen schien. Doch obwohl er tausend Orte aufsuchte, vermochte er die Quelle des Chi nicht zu finden. Eines Tages kam er in das Land, wo Menschen mit Tieren und Tiere mit Menschen sprechen können. Er sah den großen Fisch an seinem Schiff vorüberschwimmen.

Er fragte den großen Fisch: »Suchst du etwas?«
Der Fisch antwortete: »Ja. Und suchst du auch etwas?«
Der Gelehrte sagte: »Ja. Ich suche nach dem Quell des Chi.«
Der Fisch fragte: » Was ist Chi?«
Der Gelehrte sagte: »Es ist Prana, es ist die Lebenskraft, es ist Tao, es ist der Weg, es ist der Himmel, es ist Gott. Du bist weit gewandert. Hast du es gesehen?«
Der Fisch sagte: »Nein. Ich hin überall auf der Welt gewesen. Die Quelle des Chi habe ich nicht gesehen.« Der Gelehrte war sehr traurig. Er weinte heftig.
Als seine Tränen getrocknet waren, fragte er den Fisch: » Wonach suchst denn du? «
Der Fisch antwortete: »Ich suche das Meer. «
Der Gelehrte sagte: »Aber du bist doch im Meer!«
Der Fisch blickte sich um. Er sagte: » Wie geht das zu? Ich kann es nicht sehen. «
Der Gelehrte sagte: »Du kannst es nicht sehen, weil alles, was du siehst, das Meer ist. «
Im selben Augenblick wurde der Gelehrte erleuchtet.

aus: Nury Vittachi „Der Fengshui-Detektiv und der Computertiger“

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