Konvention
Reproduktion von Leben:
Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Neujahr,
auch Geburtstag hat es schon zigmal gegeben.
Und nichts mehr so sehr, so sehr, wie es war.
Alles hat sich in Rituale verwandelt.
Ihre Abläufe sind seit Jahrzehnten bekannt …
Mit Gefühlen wird bei uns sparsam gehandelt.
Und von den Worten werden die kleinen genannt.
Und dennoch droht man herauszufallen
Aus dem Spiel, manches Mal, wie ein Schauspieler,
der seine Rolle vergaß.
Aber gestützt von den anderen allen,
kommt man weiter im Text, nach dem Schrecken
mit Spaß
und einverständigen Augen-Blicken,
und man weiß, auch die Nächsten sehn: Schicht um
Schicht
Von unsren verflochtenen Lebensgeschicken
Formt sich zu Legende, Mär und Gedicht …
Denn schließlich ist es Leben gewesen
Und Liebe, was uns zusammenhielt.
Wer nur geübt ist, Fabeln zu lesen
Und nicht, was drunter im Tieferen spielt,
könnte versucht sein, von uns zu sagen:
Wie konventionell lebten sie dahin
Im Wechsel von Arbeits- und Feiertagen,
ungefährdet von schweifendem Freiheitssinn…
Aber versammelt ums häusliche Feuer
Haben wir Welten und Menschen erfahren.
Und unsere wirklichen Abenteuer
Zählen wir nicht nach den äußeren Jahren.
Eva Strittmatter