Eva Strittmatter * 8. Februar 1930 Neuruppin; † 3. Januar 2011 Berlin

Konvention

Reproduktion von Leben:

Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Neujahr,

auch Geburtstag hat es schon zigmal gegeben.

Und nichts mehr so sehr, so sehr, wie es war.

Alles hat sich in Rituale verwandelt.

Ihre Abläufe sind seit Jahrzehnten bekannt …

Mit Gefühlen wird bei uns sparsam gehandelt.

Und von den Worten werden die kleinen genannt.

Und dennoch droht man herauszufallen

Aus dem Spiel, manches Mal, wie ein Schauspieler,

der seine Rolle vergaß.

Aber gestützt von den anderen allen,

kommt man weiter im Text, nach dem Schrecken

mit Spaß

und einverständigen Augen-Blicken,

und man weiß, auch die Nächsten sehn: Schicht um

Schicht

Von unsren verflochtenen Lebensgeschicken

Formt sich zu Legende, Mär und Gedicht …

Denn schließlich ist es Leben gewesen

Und Liebe, was uns zusammenhielt.

Wer nur geübt ist, Fabeln zu lesen

Und nicht, was drunter im Tieferen spielt,

könnte versucht sein, von uns zu sagen:

Wie konventionell lebten sie dahin

Im Wechsel von Arbeits- und Feiertagen,

ungefährdet von schweifendem Freiheitssinn…

Aber versammelt ums häusliche Feuer

Haben wir Welten und Menschen erfahren.

Und unsere wirklichen Abenteuer

Zählen wir nicht nach den äußeren Jahren.

Eva Strittmatter

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