Leben lohnt sich immer

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Leben lohnt sich immer. Von aktiver Sterbehilfe zur Hilfe zum Leben, das ist der Titel eines Buches von Stein Husebø. Dieser norwegische Arzt, Mitbegründer der Europäischen Gesellschaft für Palliative Care, Gründer der ersten Schmerzklinik in Norwegen, international bekannter Arzt – widmet sich seit vielen Jahren der Ethik und Kommunikation am Lebensende.

Ich durfte ihn vor einem Jahr hier in Lindau beim Hospiztag erleben, zu dem wir vom Hospiz ihn als Referenten eingeladen haben. Sein Vortrag war packend, interessant, mitreißend. Ein Satz von ihm hallt immer noch in mir nach:„ Es gehört zu den größten Verdiensten der Hospizbewegung, dass sie mit zu einer Wende beigetragen hat, bei der der Satz: „Du kannst nicht mehr gesund werden, wir können nichts mehr für dich tun“ wurde zu „du bist so schwer krank, dass deine letzte Zeit nun gekommen ist. Es gibt noch unendlich viel, das wir für dich tun können.“

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Im Mittelpunkt des Hospizgedankens stehen stets die Fragen „Was ist am Besten für den Kranken?“ und „Was ist das Beste für die Angehörigen“.
„ Es ist für den Sterbenden nicht das Beste, dass der Todesprozess mit der Apparatemedizin verlängert wird. Das kann auch nicht das Beste für die Angehörigen sein. Wenn es sich praktisch machen lässt, wäre es für alle das Beste, wenn der Sterbende die letzte Zeit zu Hause verbringen könnte, umgeben von den Personen, die ihm mehr als alles andere bedeuten,“

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Husebø fasst die Probleme zusammen, die in der letzten Lebensphase auftauchen können, wie Schmerzen, Atemnot, Bewusstlosigkeit, Panik, Angst oder Unruhe, Essen und Trinken.
Auf den letzten Punkt möchte ich heute noch näher eingehen, denn – kaum zu glauben – man hört immer mal wieder, dass wir im Hospiz die Gäste verhungern und verdursten lassen.

Deshalb zitiere ich hier Husebø mit dem Kapitel ‚Essen und Trinken, Flüssigkeit und Ernährung‘ aus seinem Buch „Liebe und Trauer – Was wir von Kindern lernen können“ – dort wird sehr einleuchtend und anschaulich erklärt, wie die Sache im Hospiz gesehen und wie entsprechend danach gehandelt wird.

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Ein guter Patient, um den sich liebende Angehörige sorgen, ist einer, der isst und trinkt und dessen Zustand sich bessert.
Schwerstkranke essen und trinken nun aber nicht mehr wie früher – wofür sie gute Gründe haben. Wenn wir ernsthaft erkranken, schaffen wir es nicht mehr, Essen und Trinken in sonst üblichen Mengen zu verarbeiten. Ein Zuviel an Nahrung wird zur Belastung. Eine gute Regel lautet deshalb, dass der Kranke selbst bestimmen darf, wie viel er zu sich nehmen will. Wenn er nichts mehr will, mag es Gründe geben, ihm zusätzlich etwas zuzuführen, beispielsweise intravenös oder per Sonde. Es ist jedoch nur dann zweckmäßig, so lange wir annehmen, dass der Patient wieder gesund wird oder weiterhin gute Wochen, Monate oder Jahre vor sich hat. Ist der Patient dabei zu sterben, würde diese Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr nicht zur Genesung beitragen, sondern im Gegenteil das Leiden verstärken und verlängern. Die Sterbenden sind nicht mehr in der Lage, das aufzunehmen, was wir ihnen zuführen. Wenn das Herz und andere vitale Organe in dieser letzten Zeit versagen, wäre zuviel Flüssigkeit und Nahrung eine unnötige, zusätzliche Belastung.
„Aber sie darf doch nicht verdursten!“, so höre ich in diesen Situationen viele Angehörige sagen.

Die Reaktion ist sehr verständlich. Es ist mehr als unangenehm, wenn man dursten muss. Was ist die Ursache für den Durst des Sterbenden? Und welche Therapie kann helfen? Die Hauptursache dafür ist, dass die Sterbenden nicht mehr durch die Nase atmen, in der die Luft befeuchtet wird, sondern durch den Mund. Das führt zur Austrocknung der Schleimhäute im Mund, Rachen und in den oberen Luftwegen. Eine Flüssigkeitszufuhr per Sonde oder Infusion hilft jedoch nicht gegen diese Art von Durst. Herzversagen und Atemnot werden am Schluss des Lebens immer häufiger. Der Bedarf an Katheter nimmt zu. Ein Nierenversagen, das dem Sterbenden die Möglichkeit gäbe, leise einschlafen zu können, könnte damit vielleicht verhindert werden. Infusionen werden häufig angehängt, um zu zeigen, dass wir etwas tun, dass es noch immer Hoffnung auf Besserung gibt. Dabei ist es vielleicht das Signal für die Notwendigkeit, vorbereitende Gespräche darüber führen zu sollen, dass der Tod sehr nahe ist.

Das Einzige, was wirklich den Durst des Sterbenden lindern kann, ist Mundpflege, Mundhygiene und die Befeuchtung von Lippen, Mund und Rachen. Das ist eine Aufgabe, bei der auch die Angehörigen helfen können. Mit einem feuchten Tuch über die Lippen zu streichen oder kleine Flüssigkeitsmengen in den Mund zu tröpfeln, ist die beste Hilfe, die wir einem Sterbenden gegen den Durst angedeihen lassen können.

Literatur:
Stein Husebø – „Leben lohnt sich immer. Von aktiver Sterbehilfe zur Hilfe zum Leben – ein Arzt erzählt“ Herder Spektrum
Stein Husebø – „Liebe und Trauer – Was wir von Kindern lernen können“ Lambertus

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